Neues Repertorium und Materia Medica Online

Interview mit Dr. med. Carl Rudolf Klinkenberg und Thorsten Stegemann

Was sind die Hauptziele Ihres Projekts?

Unser Hauptziel ist ganz klar das Neue Repertorium. Damit das möglich ist erstellen wir erstmal die Primärquellen-Materia medica. Im zweiten Schritt kommt das Neue Repertorium. Anfangs wurde ich oft gefragt, warum wir denn nicht einfach das reparieren was es schon gibt. Ist doch schon so viel da, das kann doch nicht so schlecht sein.

Schauen Sie, die meisten von uns arbeiten mit Programmen, Radar, Complete, Isis und andere. Und die haben das Kentsche Repertorium als Basis. Ich habe den Kent genau untersucht und mir wurde klar: Der Kent wurde vor über 100 Jahren aus lückenhaften und schlecht übersetzten Sekundärquellen zusammengestellt. Ich könnte Ihnen Beispiele bringen, ich glaube Sie wären entsetzt. Ungefähr 40% aller Symptome und Symptomdetails aus den originalen Prüfungen wie z.B. Modalitäten, Orte und Empfindungen fehlen oder wurden unvollständig eingearbeitet. Im Kent finden Sie Fehler und Verdrehungen, dass einem buchstäblich die Haare zu Berge stehen, wenn man das mal genau untersucht. Die Mühe habe ich mir gemacht. Deshalb arbeiten wir an einem vollständigen Repertorium, das direkt aus den Primärquellen erstellt wird. Das ist unser wichtigstes Ziel.

Was ist das Besondere an Ihrem Projekt?

Damit wir später mit einer soliden Basis arbeiten können, indexieren wir erst einmal die gesamte Literatur, die homöopathischen Sammelwerke, Zeitschriften und Monographien. Wir erstellen eine Datenbank homöopathischer Quellen, die eine ganze Menge völlig neuer Abfrage¬- und Suchfunktionen hat. Auch damit schaffen wir etwas Neues: Die Datenbank (der Index) den wir erstellen, umfasst alle Arzneiprüfungen, Intoxikationen, Kasuistiken, Sektionsergebnisse, klinische Symptome der homöopathischen Literatur. Damit wir optimal arbeiten und die Fehler auf ein Minimum reduzieren können, lassen wir aktuell ein Programm dafür schreiben. Es wird in ein paar Wochen fertig sein. Für das Neue Repertorium nutzen wir alles, was uns die moderne Datenverarbeitung bietet.

Parallel arbeiten wir an der Primärquellen-Materia medica. So eine Materia medica gibt es bisher nicht, die bauen wir wirklich vollkommen neu auf.

Sie werden vielleicht wissen wollen, warum wir uns diese riesige Vorarbeit antun. Wir machen es, weil wir das Neue Repertorium aus den originalen Arzneimittel-prüfungen und Kasuistiken erstellen wollen. Ohne faule Kompromisse. Die Quellen erfassen wir unbearbeitet im Originalwortlaut mit Quellen¬angabe. Wir belassen die Symptome in ihrer Reinform anstatt, wie es andere tun, Begriffe zu tauschen oder den Satzbau umzustellen. Wir achten darauf, jedes Symptom immer sicher auf seine Originalquelle zurückführen zu können.

Ich kenne so viele Kollegen, die sich selbst ein Urteil bilden und nicht einfach bloß das nachkauen wollen, was andere ihnen vorsetzen. Mit unserer sauberen Arbeitsweise wird jeder Nutzer der Materia medica und des Neuen Repertoriums ein Symptom selbst prüfen, wenn er/sie möchte. Jede Bearbeitung, die Änderung einer Schreibweise, jede getroffene Entscheidung ist einsehbar; Übersetzungen hinterlegen wir das fremdsprachige Original, altdeutschen Begriffen die heutige Wortbedeutung usw. Auch die Symptome in Hahnemanns Arzneimittellehren, die sich in den verschiedenen Auflagen verändert haben oder nachbearbeitet wurden, hinterlegen wir dem Originalsymptom.

Das Neue Repertorium ist der Kern unserer Arbeit. Das Konzept steht. Es wird unsere Art der Repertorisation transformieren. Ich freue mich darauf, Ihnen später einmal mehr davon zu erzählen. Und natürlich ist es auch ein Novum, dass zwei Großprojekte wie Glopedia und das Neue Repertorium so eng kooperieren – zwei Projekte, die sich seit 2005/2006 jahrelang erst unabhängig voneinander ihre Grundlage erarbeitet haben, und jetzt ihre Vorarbeit, Motivation und Manpower zu einem Gesamtprojekt zusammentun – das ist einzigartig.

Was war Ihre Motivation für dieses Projekt?

Ich liebe Homöopathie und erlebe tagtäglich die Erfolge mit dieser großartigen Heilmethode. Ich sehe aber auch jeden Tag, mit welchen zum Teil absurden Lücken und Fehlern in unseren Nachschlagewerken wir uns „herumschlagen“. Kein Tag, an dem ich nicht auf Symptome stoße, die im Repertorium fehlen oder wo Rubriken ungenügend sind. Gerade aus der Behandlung chronischer Krankheiten ist die Homöopathie nicht mehr wegzudenken. Es ist DIE Medizin der Zukunft. Es kann doch nicht sein, dass diese exzellente, ja geniale Heilmethode mit so mangelhaften Werkzeugen arbeitet!

Wir werden hier endlich die angemessene Grundlage schaffen und in einer gemeinsamen Aktion ein gesichertes vollständiges Nachschlagewerk schaffen.

Abschließend möchte ich mich bei allen Spendern, bei der Stiftung und der WissHom bedanken, dass sie uns so großartig finanziell und ideell unterstützen. Ihre Unterstützung gibt mir und meinen Kollegen die Kraft und das Bewusstsein, von der Gemeinschaft der Homöopathen unterstützt und getragen zu sein. Soweit ich weiss, hat es so eine Basis noch nie gegeben. Ich finde das einfach fantastisch. Ihre Unterstützung inspiriert mich jeden Tag.